Die Betroffenen vor dem 50-jährigen Jahrestag rehabilitieren und entschädigen
Pressemitteilung 28. Januar 2021
Am heutigen 28. Januar 2021 beginnt das fünfzigste Jahr nach der Verabschiedung des sogenannten Radikalenerlasses durch die Ministerpräsidenten der Länder unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt. Zahllose Menschen wurden mit der Unterstellung, dass sie nicht die Gewähr bieten würden, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, aus dem öffentlichen Dienst entlassen oder gar nicht erst eingestellt. Ihre Berufsausbildung wurde massiv entwertet bis hin zu wertlos gemacht, ihnen wurde die materielle Existenzgrundlage entzogen.
Damit wurde auch ein Klima der politischen Einschüchterung geschaffen, mit dem die Menschen davon abgehalten werden sollten, sich in der außerparlamentarischen Linken, bei antifaschistischen und antirassistischen Organisationen oder anderen demokratischen Projekten zu engagieren.
Die Internationale Arbeitsorganisation der UNO hat seit 1987 festgestellt, dass Berufsverbote im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und den Kernnormen des internationalen Arbeitsrechts stehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte 1995 die Praxis der Berufsverbote. Selbst Willy Brandt hat den Radikalenerlass später als „größten Irrtum“ bezeichnet.
Dennoch wurde dieser Teil unserer – auch hessischen Geschichte – bis heute nicht substantiell aufgearbeitet, wurden die Betroffenen bis heute nicht für das an ihnen begangene Unrecht entschädigt.
Die Vorsitzende der GEW Hessen, Maike Wiedwald, betonte: „Es wird höchste Zeit, dies noch vor dem 50-jährigen Jahrestag in Angriff zu nehmen. Deshalb wird die hessische GEW nicht nachlassen, von der Landesregierung und dem Landtag eine öffentliche Aufarbeitung der Folgen der Berufsverbotspraxis auf die demokratische Kultur in Hessen zu fordern. Wir erwarten dabei auch weiterhin die Rehabilitierung und finanzielle Entschädigung der vom Berufsverbot Betroffenen.“
Die GEW Hessen wird in diesem Zusammenhang den Aufruf „1972 – 2022: 50 Jahre Berufsverbote – Demokratische Grundrechte verteidigen“ unterstützen.
1972 – 2022: 50 Jahre Berufsverbote | Demokratische Grundrechte verteidigen!
Im Jahr 1969 versprach Bundeskanzler Willy Brandt: „Mehr Demokratie wagen“. Im Widerspruch dazu verabschiedeten die Ministerpräsidenten der Länder unter Vorsitz von Willy Brandt am 28. Januar 1972 den „Extremistenbeschluss“ oder sogenannten Radikalenerlass. In den folgenden Jahren wurden ca. 3,5 Millionen Bewerber*innen für Berufe im öffentlichen Dienst überprüft. Der Verfassungsschutz erhielt den Auftrag zu entscheiden, wer als „Radikaler“, als „Extremist“ oder als „Verfassungsfeind“ zu gelten hatte. Personen, die „nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“, wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt oder gar nicht erst eingestellt.
Die Überprüfungen führten bundesweit zu etwa 11.000 Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Betroffen waren Kommunist* innen, andere Linke bis hin zu SPD-nahen Studierendenverbänden, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und Gewerkschafter*innen. In Bayern traf es auch Sozialdemokrat* innen und in der Friedensbewegung engagierte Menschen. Das schüchterte viele ein ...
Aufruf gesamt
Bitte schreiben Sie eine kurze E-Mail mit Betreff "Berufsverbotspraxis aufarbeiten" an Klaus Lipps, Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen die Berufsverbote.
k.lipps@posteo.de